Die Sorge um den Deutschen Wald
Zwingt der Klimawandel den Deutschen Wald in die Knie? Eine aktuelle Studie untersuchte, ob jeder einzelne auch tatsächlich bereit ist, etwas dagegen zu tun.
Wandern und Waldbaden am beliebtesten
Die Deutschen haben ein besonders inniges Verhältnis zum Wald. Ganze 87% der Deutschen verbringen gerne ihre Zeit zwischen Buchen, Eichen und Tannen. Das ergab eine repräsentative Online-Studie des SINUS-Instituts in Kooperation mit YouGov, für die im Februar 2021 2.038 Personen zwischen 18 und 69 Jahren befragt wurden.
Auch was die Menschen im Wald so treiben, brachten die Marktforscher in Erfahrung: 81% gehen Wandern oder zumindest Spazieren. Jeder Zweite (49%) möchte einfach nur die Natur genießen im Sinne von „Waldbaden“ und rund jeder Vierte (28%) versucht, Tiere zu beobachten. Noch besser würde es ihnen allerdings gefallen, wenn sie auch noch wüssten, was sie da sehen: 77% aller Deutschen würden sich über mehr Lehr- und Lernangebote (z.B. Führungen, Lerntafeln oder Lehrpfade) freuen.
Die Weisheit des Alters
Drei von vier Deutschen (75%) sorgen sich um den Zustand der Wälder. Zwischen Männern und Frauen gibt es da keinen Unterschied, beim Alter allerdings schon – das Problembewusstsein steigt mit dem Alter der Befragten: Während sich 65% in der jüngsten Altersgruppe (18 bis 29 Jahre) besorgt um den Wald äußern, tun dies bereits 71% der 30- bis 39-Jährigen und 81% in der ältesten Altersgruppe (60 bis 69 Jahre). Auch die Zukunft des Waldes sehen die Deutschen pessimistisch: 61% aller Befragten befürchten, dass sich dessen Zustand in den nächsten 20 Jahren weiter verschlechtern wird.
Diese verdammte Trockenheit
Besonders der Klimawandel treibt den Menschen die Sorgenfalten ins Gesicht. Dürre und Trockenheit sieht die Hälfte (50%) der Deutschen als das größte Problem für den Wald an. 38% der Befragten glauben, dass die Versiegelung von Waldflächen, zum Beispiel durch Straßen oder Wohnungsbau, seinen Teil dazu beiträgt. Interessant finde ich, dass die Deutschen den Müll von Waldbesuchern als drittgrößtes Problem ansehen (36%). Erst an sechster und siebter Stelle werden Schäden durch Unwetter (26%) und Schädlinge wie den Borkenkäfer (24%) genannt.
Befürwortung von Schutzmaßnahmen
Die große Mehrheit der Bundesbürger weiß also, dass es dem Wald gerade richtig dreckig geht. Aktuell ist noch etwa ein Drittel Deutschlands von Wald bedeckt, möglicherweise könnte sich das – trotz aller Aufforstungsbemühungen – aber bald ändern. Um die deutschen Wälder zu schützen, befürwortet eine Mehrheit der Bevölkerung eine Reihe von Maßnahmen:
- 82% befürworten, dass hierzulande mehr Wälder unter Schutz gestellt werden, z.B. als Naturschutzgebiet oder Nationalpark.
- 75% erwarten von der Politik, dass mehr Regeln und Gesetze zum besseren Waldschutz erlassen werden.
- Umgekehrt sind nur 11% der Meinung, dass der Waldschutz in Deutschland übertrieben wird.
Klimawandel macht nicht an der Landesgrenze halt, deshalb schauen die Deutschen auch über den Tellerrand der Bundesrepublik: 84% fordern stärkere internationale Schutzmaßnahmen gegen Waldbrände und 79% erwarten, dass sich die deutsche Politik noch mehr für den Schutz von Regenwäldern einsetzt.
Da muss doch jemand was dagegen tun
Egal ob Fleischkonsum aus Massentierhaltung oder Blutspenden: Es klafft bei uns Deutschen eine Lücke zwischen bekundeter Einstellung und tatsächlichem Verhalten. Da sind viele Deutsche konsequent: Bei aller Liebe – Schluss ist, wenn persönlich Verantwortung übernommen werden soll. Sein Gewissen beruhigt man mit der resignierten Feststellung: „Ich als Einzelner kann sowieso nichts tun“. Diese Devise wird durch die Studie untermauert, denn während sich wie oben beschrieben 75% der Deutschen um den Zustand des Deutschen Waldes sorgen, haben sich 57% überhaupt noch nicht für dessen Schutz durch den Kauf von Produkten, Spenden oder persönliche Mitarbeit eingesetzt.
„Unsere Zahlen zeigen deutlich, dass der Wald den Deutschen wichtig ist und sie ihn als Erholungsraum schätzen. Gleichzeitig sehen sie Waldschutz aber nicht in ihrer persönlichen Verantwortung und delegieren diese weg. Hier ist mehr ökologische Aufklärung von Nöten, um das Verantwortungsbewusstsein zu schärfen und den Beitrag des Einzelnen greifbar zu machen“, folgert Philipp Schneider, Head of Marketing DACH bei YouGov.
Nicht jeder interessiert sich für den Wald
Das SINUS-Institut kategorisiert die deutsche Bevölkerung vor dem Hintergrund ihrer Werte und Lebensstile in zehn Gruppen, die sogenannten Sinus-Milieus®. In jedem dieser Milieus tummeln sich also Gleichgesinnte.
Die größten Wald-Fans finden sich laut der Studie im Milieu der Liberal-Intellektuellen und im Milieu der Sozialökologischen.
- Die Liberal-Intellektuellen sind die aufgeklärte Bildungselite mit einer weltoffenen Grundhaltung und postmateriellen Wurzeln, die aber auf Distanz geht zu Ideologien aller Art.
- Die Sozialökologischen sind ein gesellschaftskritisches Milieu mit einem ausgeprägten ökologischen Gewissen. Sie versuchen alle ökologischen Aspekte in ihrem Alltag zu berücksichtigen.
Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die restlichen acht Milieus keine große Affinität zum Wald besitzen. Was die Liebe zum Wald betrifft, gibt es also große Unterschiede in der Bevölkerung, die auf unterschiedliche Werthaltungen und Lebensstile zurückzuführen sind.
Gleiches Ziel, anderer Zweck
Neben der Waldliebe haben die Wald-Fans der Liberal-Intellektuellen und der Sozialökologischen übrigens noch zwei Gemeinsamkeiten: Sie sind gut gebildet und die Altersspanne ist sehr breit gestreut.
Dr. Christoph Schleer, Senior Research & Consulting am SINUS-Institut, ergänzt: „Es gibt aber auch feine Unterschiede zwischen diesen Lebenswelten: Die Sozialökologischen versuchen, ökologische Aspekte in allen Alltagsbereichen mitzudenken: Der Mensch ist Teil der Natur und darf sich nicht über diese stellen. Die Liberal-Intellektuellen nutzen die Natur hingegen stärker für ihre eigenen Zwecke. So dient dieser aufgeklärten Bildungselite die ursprüngliche und wilde Natur als Ausgleich zum anspruchsvollen Arbeitsalltag. Trotz der emotional großen Verbundenheit zur Natur verhält sich dieses Milieu nicht immer so konsequent zum Wohle von Flora und Fauna wie die Sozialökologischen.“
Dem Wald dürfte es egal sein, aus welchem Grund die Menschen ihn schützen – Hauptsache, sie tun es etwas!