Alte Zäune im Wald: eine Gefahr fürs Wild

Im Frühjahr werden in deutschen Wäldern wieder abertausende junge Bäumchen gepflanzt. Sie sollen die vertrockneten Bäume der letzten Hitzesommer ersetzen und einen neuen klimastabilen Waldbestand begründen – als Ergänzung zur natürlichen Waldverjüngung. Damit die Baumsetzlinge nicht gleich wieder abgefressen werden, müssen sie vielerorts aufgrund hoher Wildbestände geschützt werden. Eine gängige Methode sind Zäune. Leider wird oft „vergessen“, diese Zäune wieder abzubauen, sobald sie ihre Schuldigkeit getan haben und die Baumkinder zu Halbwüchsigen geworden sind. Dann werden die verwahrlosten Drahtschlingen zu einer tödlichen Gefahr für unsere Wildtiere.

Fast unsichtbar liegen die Zaunreste auf dem Waldboden.

Geht es nicht ohne Zäune?

Eigentlich ist es eine zentrale Aufgabe der Jagd, die Wildbestände derart zu regulieren, dass sie in einem ausgewogenen Verhältnis zu den natürlichen Lebensgrundlagen stehen. Im Bayerischen Jagdgesetz ist das sogenannte „Waldverjüngungsziel“ verankert. Dieses besagt, dass die natürliche Verjüngung der standortgemäßen Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen möglich sein soll.

Kleine Eichen gehören zur Lieblingsspeise des Rehwilds.

Dieses „ausgewogene Verhältnis“ ist jedoch stark davon abhängig, welche Nahrungsgrundlage im jeweiligen Waldbestand zur Verfügung steht. Ein Laubmischwald mit reichlicher Naturverjüngung verträgt wesentlich mehr Rehwild als eine Fichtenmonokultur, in der am Waldboden außer Moos nichts wächst. Im ersten Fall kann die Verjüngung auch mit einem höheren Wildbestand ohne Schutzmaßnahmen gelingen. In der Fichtenmonokultur dagegen reichen schon wenige Rehe aus, um eine ungeschützte Pflanzung mit Eichen, Tannen und Elsbeeren platt zu machen.

Das Rehwild liebt dichte Naturverjüngung. Diese bietet Deckung und Äsung an ein und demselben Ort.

Ohne menschliches Zutun hätten wir in Deutschland größtenteils Buchenwälder. Durch den menschlichen Einfluss sind heute jedoch fast die Hälfte aller Wälder Monokulturen aus Fichten oder Kiefern. Sollen diese wieder in Laubmischwälder umgewandelt werden, gibt es nur zwei Möglichkeiten:

  1. Der Wildbestand wird so weit abgesenkt, dass die verbliebene Anzahl Rehe es nicht schafft, die Verjüngung größtenteils wegzufuttern.
  2. Die Forstkultur wird eingezäunt oder jedes Pflänzchen durch Einzelschutzmaßnahmen gesichert.

Der Klimawandel verschärft die Situation

Die letzten Trockenjahre haben gezeigt, dass insbesondere Fichten – bisher der „Brotbaum“ der deutschen Forstwirtschaft – überhaupt keine Zukunft bei uns haben. Sogar die Buche als DIE autochtone Baumart unserer Breiten erscheint inzwischen gefährdet. Es herrscht eine gewisse Ratlosigkeit unter den Fachleuten, was zu tun ist. In der Praxis setzt man neben der Naturverjüngung aktuell auf die Pflanzung von etwa vier verschiedenen Baumarten gleichzeitig, um das Risiko zu streuen. Sollten eine oder zwei der Baumarten dem Klimawandel nicht standhalten, sind die anderen immer noch vorhanden. 

Die Elsbeere ist eine wärmeliebende Baumart mit tiefreichendem Wurzelwerk. Sie gilt als Hoffnung für den Klimawandel.

Denn der Supergau wäre ein vollständiger Ausfall aller Baumarten, was den Verlust von Waldfläche zur Folge hätte. Das wiederum würde zu einer enormen Freisetzung von gespeichertem CO2 aus dem Waldboden zur Folge haben und ein Verlust der wichtigen Waldfunktionen als Kohlenstoffsenke, Temperaturegulierer und Regenmacher. 

Solche Bilder müssen verhindert werden. Durch die starke Erwärmung des Waldbodens wird jetzt viel CO2 freigesetzt.

Der Nachteil von Zäunen

Eigentlich sind Zäune nur Notmaßnahmen, denn sie haben viele Nachteile:

  • Sie verkleinern den Lebensraum der Wildtiere
  • Sie sind sehr teuer
  • Große Zäune sind kaum dicht zu halten
  • Sie erschweren die Forstarbeiten (Fällung, Rückung usw.)
  • Sie stören das Waldbild
In diesem Fichtenbestand hat letztes Jahr der Borkenkäfer sein Unwesen getrieben. Das sogenannte „Käferloch“ wurde nun von Waldarbeitern mit kleinen Eichen bepflanzt und durch einen Zaun vor hungrigen Rehen geschützt.

Kontrolle der Zäune ist wichtig 

Entscheidet sich der Waldbesitzer dennoch für einen Zaun, muss er das Bauwerk regelmäßig kontrollieren, damit es seine Aufgabe dauerhaft erfüllen kann. Schnell wird das Drahtgeflecht von einem umstürzenden Baumstamm oder herabfallenden Ast niedergedrückt. Und schon ist seine Schutzfunktion ad absurdum geführt.

Besonders nach Stürmen müssen Zäune gewissenhaft auf ihre Dichtheit kontrolliert werden.

Für Wildschweine sind solche Zäune kein Hindernis. Sie heben mit ihrer keilförmigen Schnauze einfach den Zaun von unten an und lassen sich beim Durchgehen voller Wonne ihre Schwarte striegeln. Wildschweine sind allerdings nicht auf die kleinen Bäumchen aus, sie suchen lieber Eicheln oder wühlen nach Kleingetier. Sie schaden dem Baumnachwuchs also nicht, schaffen jedoch durch den angehobenen Zaun einen Eingang für andere Tiere. Besonders Rehe und Hasen schlüpfen dort gerne hindurch. Um das zu verhindern, werden häufig sogenannte „Sauenklappen“ eingebaut, um die Do-it-yourself-Variante der Schwarzkittel zu vermeiden.

Sauen sind kein Problem in Forstkulturen. Deshalb werden mancherorts sogenannte Sauklappen eingebaut, die ein problemloses Ein- und Auswechseln gewährleisten.

Was tun, wenn der Zaun undicht ist?

Egal ob Wildschwein oder Ast: Schon eine Lücke im Zaun kann dafür sorgen, dass über Nacht Rehe ins Innere gelangen. Das geschieht auch deshalb so schnell, weil Wildwechsel oft direkt an der Außenseite des Zaunes entlangführen. Besonders bei großen Zäunen ist es fast unmöglich, im Zaun befindliche Rehe wieder herauszubekommen, auch wenn dieser an einer Stelle geöffnet wird. Werden Hunde eingesetzt, geraten die Rehe in Panik und finden den Ausgang erst recht nicht. Sie rennen dann in das Drahtgeflecht und können sich dort verletzen. Deshalb ist diese Variante tierschutzwidrig. Es bleibt nur der Ansitz des Jägers im oder am Zaun, um das betreffende Tier waidgerecht zu erlegen. 

Der hohe Zaun ist eine Todesfalle für das Stück Rotwild. Ohne menschliche Hilfe gibt es keine Rettung.

Zäune gehören wieder abgebaut

Die viel größere Gefahr besteht für Wildtiere jedoch nicht durch intakte Zäune, sondern dadurch, dass alte Zäune nicht zurückgebaut werden und zusammenfallen. Der Zaun gehört abgebaut, sobald er seinen Zweck erfüllt hat: Nämlich wenn die geschützten Pflanzen eine Höhe erreicht haben, bei der das Schalenwild nicht mehr an den Leittrieb herankommt, der Jäger sagt dazu „aus dem Äser gewachsen ist“.

Dieser Zaun gehört schon lange abgebaut. Die Weißtannen sind groß genug, so dass der entscheidende oberste Trieb vom Wild nicht mehr erreicht werden kann.

So wichtig es viele Waldbesitzer mit dem Zaunbau haben, so schlampig nehmen es manche mit dem Abbau der Anlage. Vielleicht liegt das ja daran, dass es für deren Errichtung staatliche Fördergelder gibt, die je nach Bundesland Waldumbauförderung oder Aufforstungsprämie genannt werden. Der Rückbau des Zauns ist zwar verpflichtend, aber Geld gibt es dafür nicht extra. In meinem Jagdrevier stieß ich vielleicht genau aus diesen Gründen immer wieder auf uralte Zaunreste, die wie Schlingen unter dem Laub versteckt waren. Nicht nur für das Wild, auch für meinen Jagdhund eine große Verletzungsgefahr!

Von Erbauer einfach rücksichtslos liegengelassen.

„Aufgegebene“ Zäune melden

Als normaler Waldbesucher weiß man meist nicht, wer der Eigentümer der betreffenden Parzelle ist, so bleibt nur das Melden beim Revierleiter oder der Gemeinde. Diese informieren dann zwar in der Regel den betreffenden Waldeigentümer, halten aber oft nicht nach, ob sich dieser tatsächlich um die Entsorgung des alten Zauns kümmert. Eigentlich gehört hier eine Frist gesetzt und bei Nichteinhaltung eine Ersatzvornahme angeordnet, die dem Eigentümer in Rechnung gestellt wird. Verletzt sich ein Tier an alten Zaunresten oder verendet es sogar, sollte eine Strafanzeige nach dem Tierschutzgesetz erfolgen.

Einen tollen Service bietet der Verein Wildes Bayern e.V. an: Dort kann man verwahrloste Zäune melden und der Verein übernimmt die Meldung an die zuständige Behörde. Diese muss dann für die Beseitigung des Zaunabfalls durch den Grundbesitzer sorgen. Im Nachgang kontrolliert der Verein dann noch stichprobenartig, ob die Zäune wirklich abgebaut und abtransportiert wurden.

Die Zaunreste liegen fast unsichtbar im Laub. Wildtiere können sich an den Füßen verletzen oder im Drahtgeflecht verheddern.

Kaputte Zäune sind gefährlich

Speziell Schalenwild verletzt sich an den Läufen oder verwickelt sich mit Geweih oder Gehörn. Sie verstricken sich in den Drahtresten, werden schnell panisch und verschlimmern so noch ihre Lage bis zur Aussichtslosigkeit. Werden sie von Menschen nicht rechtzeitig entdeckt, strangulieren sie sich elendig zu Tode. Selbst wenn sie sich befreien können, irren sie mit den Zaun- oder Litzenresten als „Kopfschmuck“ umher mit der permanenten Gefahr, an anderen Hindernissen hängen zu bleiben.

Gleich zwei Damhirsche in dem kleinen Rudel schleppen Reste von Litzen mit sich herum.

Fazit

An manchen Stellen geht es nicht ohne Zaun. Aber dann wirklich nur so lange wie nötig. Es darf von den „Zaunkönigen“ erwartet werden, dass die Anlagen regelmäßig kontrolliert und Instand gehalten werden. Dann muss das Gebilde aber verschwinden. Das sieht nicht nur besser aus, es vermeidet vor allem unendliches Tierleid.  

Eine gute Tat: Auch wenn sie nicht zuständig sind, beseitigen Jäger in einer gemeinsamen Aktion alte Drahtreste.

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