Blei in der Wildwurst?
Bei den Deutschen geht es oft um die Wurst. Besonders auf dem Teller. Denn keine Nation isst mehr Fleischprodukte als die Deutschen: Über 25 kg Wurst und Schinken werden jährlich pro Kopf verzehrt. Dabei sind die Geschmäcker regional verschieden und entsprechen den gängigen Klischees: Im Süden essen die Deutschen gerne Brühwürste. Nördlich des Weißwurstäquators steht die Rohwurst hoch im Kurs, gerne in Form von Salami und Mett. Im Osten bevorzugt man die Bratwurst, bekanntestes Beispiel ist die Thüringer Rostbratwurst.
Was jedoch alle Würste gemeinsam haben: Sie enthalten größtenteils Schweinefleisch. Kein Wunder, davon haben wir auch genug zur Verfügung – immerhin produzieren die deutschen Schweinemäster davon reichlich.
Wildfleisch – das Mauerblümchen unter den Lebensmitteln
Wildfleisch wird dagegen nur in homöopathischer Menge verzehrt: 36 Tausend Tonnen pro Jahr. Um es bildlicher darzustellen: Nur 60% der Deutschen essen einmal im Jahr Wild. Das ist nicht nur der edle Rehrücken oder der deftige Wildschweinbraten, sondern – wer hätte es bei den Deutschen anders erwartet – die Wildwurst. Ob Hirschsalami, Polnische vom Reh oder Wildschweinbratwurst: Wildfleisch gilt als die gesunde Alternative ohne Antibiotika- und Medikamentenrückstände, wie man es in konventionell erzeugtem Puten-, Schweine- und Rindfleisch immer wieder findet. Außerdem verbringen Wildtiere ein Leben in Freiheit, ganz im Gegensatz zur Massentierhaltung, und sind deshalb auch ethisch die bessere Wahl.
Blei durch Jagdmunition
So ganz „ohne“ scheinen Würste von Wildtieren aber auch nicht zu sein. Denn eine aktuelle Untersuchung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ergab, dass drei von vier Wildwürstchen schwer im Magen liegen: In 72% der untersuchten Würste wurde Blei nachgewiesen, besonders in denen vom Wildschwein.
Überraschend kam das Ergebnis sicher nicht, denn bereits 2010 und 2014 untersuchte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) die Lebensmittelsicherheit von jagdlich gewonnenem Wildbret und stellte hierbei in vielen Proben eine erhöhte Bleibelastung fest. Trotzdem existiert bis heute noch immer kein Grenzwert für Blei in Wildfleisch. Und das, obwohl Untersuchungen belegen, dass der Bleigehalt von Wildfleisch um ein Vielfaches höher sein kann als die für Fleisch von Rindern, Schafen und Schweinen in der betreffenden EU-Verordnung zugelassenen Grenzwerte für besagtes Schwermetall.
Andererseits ist Blei in Lebensmitteln nicht ungewöhnlich – vor allem über Grundnahrungsmittel wie Getreide, Gemüse, Obst und Getränke reichern wir das giftige Schwermetall in unserem Körper an. Nur die Quelle des Bleis ist eine andere: Gemüse und Pilze beispielsweise nehmen das Schwermetall über den Boden auf, wohin es über Regenwasser oder Dünger gelangt. Die im Wildfleisch gemessenen Bleigehalte gelangen aber nicht über die Nahrungsaufnahme in den Wildkörper, sondern durch die Bleigeschosse der Jäger.
Bleifreie Munition mit Schwächen
Dass gerade drei Viertel der untersuchten Wildwürste mit Blei belastet waren, dürfte kein Zufall sein. Die geschätzten Verkaufszahlen von Deutschlands größtem Jagdausstatter zeigen, dass rund 70% der Jägerinnen und Jäger zu bleihaltiger Munition greifen und nur 30% bleifreier Munition den Vorzug geben. Falls du dich jetzt fragst, warum sich so viele Jäger nicht von der traditionellen Bleimunition trennen wollen, liegt das an den Schwächen der bleifreien Alternative: Mangelhafte Tötungswirkung, schlechtere Präzision, Unfallgefahr durch Abpraller, Systemunverträglichkeit mancher Jagdwaffen. Diese Probleme treten nicht grundsätzlich auf, können aber.
Diese Schwächen bestätigten sich in einer Umfrage des Deutschen Jagdverbandes (DJV), laut der 36% der befragten Jäger nach ersten Erfahrungen in der Jagdpraxis von bleifreier wieder auf bleihaltige Munition zurückwechselten. Jeder Zweite gab als Grund an, dass Präzision und Tötungswirkung unzureichend waren. Allerdings liegt diese Umfrage schon zehn Jahre zurück und die Munitionshersteller haben zwischenzeitlich an ihren Hausaufgaben gearbeitet.
Bleifrei bald überall Pflicht
Abgesehen davon stellt sich bald die Frage des Wollens oder Nichtwollens nicht mehr. Noch gibt es kein einheitliches Gesetz in Deutschland, das bleihaltige Munition verbietet. Es ist von Bundesland zu Bundesland immer noch verschieden, mit welcher Munition geschossen werden darf. In Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg ist die Jagd mit bleihaltigen Büchsengeschossen komplett verboten. In allen anderen Bundesländern – außer in Thüringen und Sachsen-Anhalt – muss zumindest im Staatsforst bleifrei geschossen werden. Die Bayerischen Staatsforsten ziehen zum 01.04.2022 mit dem Bleiverbot nach.
Wenn es nach der zuständigen EU-Kommission geht, soll mit diesem Katz- und Mausspiel bald Schluss sein. Erklärtes Ziel der Kommission ist es, jedwede bleihaltige Munition in der Europäischen Union zu verbieten. Also nicht nur für die Jagd, auch für Sport- und Freizeitschützen – und zwar ohne Übergangsfristen.
Der gute Ruf eines wertvollen Lebensmittels
Es macht also Sinn, als Jäger zeitnah auf bleifreie Munition umzusteigen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es ein bisschen dauert, bis man die passende Laborierung gefunden hat. Deshalb macht es Sinn, mit der Umstellung nicht bis auf den „letzten Drücker“ zu warten. Zur Verantwortung gegenüber dem Wild in Form einer waidgerechten Jagdausübung gehört auch die Verantwortung gegenüber dem Verbraucher. Wer als Jäger sein Wildbret selbst vermarktet und aufs Etikett schreiben kann „Erlegt mit bleifreier Munition“, fördert den guten Ruf dieses hochwertigen und gesunden Lebensmittels.