Die Frau eines Jägers: täglicher Wahnsinn oder Glück auf Erden?
Erinnerst du dich an den Text von Gittes Schlager: „Ich will ‘nen Cowboy als Mann, dabei kommt´s mir gar nicht auf das Schießen an, denn ich weiß, dass so ein Cowboy küssen kann“? Ein Jäger kann beides und ist entsprechend gefragt in der Frauenwelt. Aber auf was lässt sich eine Jägersfrau wirklich ein? Wie ist die Anteiligkeit von Schießen und Küssen? Nach über 20 Ehejahren erfährst du heute von mir die schonungslose Wahrheit.
Das freie Jägerleben und der Bund der Ehe
Um noch einmal die Liederwelt zu bemühen: „Ja was kann es Schöneres geben als das freie Jägerleben“ oder „Ich bin ein freier Wildbretschütz“ – beides Evergreens, die Jäger gerne mit geistreich geölter Kehle inbrünstig in der Jagdhütte intonieren. Das Wort „frei“ zieht sich übrigens wie ein roter Faden durch das Liederbuch des Waidmanns. Und damit kommen wir auch schon zum ersten Problem. Denn mit „frei“ meint der Jäger nicht, die freie Wahl zu haben zwischen Staubsaugen und Wischen oder zwischen Shoppen gehen und Lebensmittel einkaufen. Er meint eher die Wahl zwischen Entenstrich und Fuchsriegler, zwischen Drückjagd und Treibjagd oder zwischen Zwetschgenschnaps und Jägermeister. Egal, für was er sich dabei entscheidet, es passiert definitiv nicht zuhause, dafür in der Regel am Wochenende und meist in Abwesenheit der nichtjagenden Gattin – eben das freie Jägerleben.
Dann geh doch einfach mit
Jetzt kommt natürlich das Totschlagargument der Jäger, dass die Liebste doch jederzeit mit auf die Jagd gehen könne. Zugegeben, eine auf den ersten Blick praktische Lösung. Dann wäre die Interessenkollision doch schwuppdiwupp vom Tisch. Zu Beginn der Ehe funktioniert das vielleicht, da ist es für sie aufregend, in diese neue Welt hineinzuschnuppern. Glaube mir, das ist nur am Anfang der Fall. Während für Jäger jeder Ansitz von Neuem spannend ist, wird es für Ehefrauen ohne Jagdpassion dagegen bald langweilig. Aus ihrer Sicht ist es nur ein Absitzen der Zeit, was sich gerne in der Frage „Wie lange bleiben wir denn noch, es kommt doch eh nichts?“ manifestiert.
Selbstverständlich sind während der gesamten Ansitzdauer dezente Verhaltenskorrekturen seitens des erfahrenen Jägers vonnöten: Zieht sie das weiße Tempo-Taschentuch heraus, gibt´s einen Knuff mit dem Ellenbogen: “Zu auffällig!” Versucht sie sich der Stechmücken zu erwehren, gibt´s wieder einen Knuff: “Nicht bewegen!” Will sie sich ein bisschen unterhalten, kommt ein „Psst!“
Ist die Jagd dann doch einmal von Erfolg gekrönt, muss das Wild geborgen, aufgebrochen und in die Wildkammer gebracht werden, welche anschließend wieder sauber gemacht werden muss. Da kann es spät werden. Unterm Strich kommt da also auf beiden Seiten nicht die richtige Stimmung auf. Es muss also ein Zeitmanagement her, damit der Jäger allen gerecht wird: der Familie, dem Jagdhund und der Passion. So weit also die graue Theorie, aber wie ist die grüne Praxis?
Der Morgenansitz – Störung des häuslichen Friedens
Der Morgenansitz ist etwas Herrliches. Zu warten, bis langsam die Sonne aufgeht und der Wald zum Leben erwacht. Natürlich muss man dazu beizeiten aus den Federn, um ca. 1,5 Stunden vor Sonnenaufgang auf dem Hochsitz zu sitzen. Bei völliger Dunkelheit heißt es dann warten, bis die Natur langsam den Mantel der Nacht abstreift und sich in der Dämmerung schemenhaft zu erkennen gibt. Bis dahin ist noch ein kleines Nickerchen erlaubt.
Der Morgenansitz im Sommer unterscheidet sich von dem im Winter. Im Sommer ist es abends lange hell und morgens geht bald schon wieder die Sonne auf. An einem lauen Sommerabend sitzen meine Frau und ich noch gerne gemütlich auf der Terrasse bei einem kühlen Gläschen Wein. Kaum zu Bett gegangen, reißt der Wecker um Halbdrei alle im Schlafzimmer Anwesenden aus dem Tiefschlaf – meine Frau, unseren Weimaraner Ferdinand und mich – meistens auch in dieser Reihenfolge. Ferdi bellt freudig, sobald er erkennt, dass ich die Jagdklamotten überstreife. Na prima!
Bis ich meine sieben Sachen gepackt habe und mit dem Auto ins Revier starte, ist meine Frau hellwach und braucht nach eigener Aussage eine Stunde, um wieder einzuschlafen. Was gibt es Schöneres für einen gelungenen Start ins Wochenende! Der Vorteil ist allerdings, dass ich zum Frühstück wieder zuhause bin, im besten Fall mit frischen Brötchen. Im Winter dagegen ist die Nacht länger, das Aufstehen fällt morgens leichter und die Störung des häuslichen Friedens ist entsprechend geringer.
Der Abendansitz – ich bin dann mal weg
Der Abendansitz im Sommer ist eine späte Angelegenheit. Es bleibt lange hell, trotzdem muss der Jäger auch hier ca. 1,5 Stunden vor Sonnenuntergang im Revier sein – rechtzeitig, bevor das Wild die Äsungsplätze aufsucht. Das bedeutet, kein entspannter Grillabend und kein frischer Cocktail mit der Dame des Hauses, sondern Abfahrt, wenn´s grad gemütlich wird. Das Gute ist, man kann im Sommer auch wochentags noch nach Feierabend auf den Abendansitz gehen, um das Wochenende fürs Familienleben freizuhalten. Allerdings bleiben dann nur wenige Stunden Schlaf, bis es wieder zur Arbeit geht.
Nach der Zeitumstellung Ende Oktober ist unter der Woche für Berufstätige nichts mehr zu machen, dann bleibt nur noch das Wochenende. Was wiederum zur Kollision familiärer Aktivitäten führt. Als wäre das noch nicht genug, kommen zu dieser Jahreszeit auch noch die Bewegungsjagden an den Wochenenden hinzu.
Drück- und Treibjagden – die Zeitkiller am Wochenende
Drück- und Treibjagden gehören zu den sogenannten Gesellschaftsjagden. Dabei handelt es sich um meist ganztägige Veranstaltungen, bei denen zahlreiche Jäger und Treiber teilnehmen. Aufgrund des hohen Organisationsaufwandes flattern die Einladungen schon Wochen vorher ins Haus, und wer einmal zugesagt hat, kann das nicht einfach wieder rückgängig machen – es sei denn, er möchte riskieren, im nächsten Jahr nicht mehr auf der Gästeliste zu stehen. Kommt jetzt also ein familiärer Termin kurzfristig dazwischen, gerät der Jäger zwischen die Fronten. Eine knifflige Situation.
Dieses Problem hat man mit den eigenen Morgen- und Abendansitzen zum Glück nicht – diese können individuell und kurzfristig geplant werden. Neben den genannten Jagdarten gibt es noch viele andere Möglichkeiten, auf die einzelnen Wildarten zu waidwerken. Das würde jetzt hier aber zu weit führen – eines haben sie jedoch alle gemeinsam: Sie brauchen Zeit. Und das ist noch nicht alles: Neben der Jagd müssen noch Revierarbeiten erledigt werden, wie der Bau von Hochsitzen, das Beschicken der Kirrungen und so weiter und so fort.
Hegetipps für zuhause
Alle Jäger wissen, wie wichtig es ist, dass die eigene Ehefrau das Hobby unterstützt. Ja ich weiß, das hinzubekommen, ist die hohe Schule für Frauenversteher. Deshalb ist es für grobklotzige Waidmänner auch schon ein Erfolg, wenn die Gattin die Jagdpassion zumindest duldet. Mit den folgenden Tipps zur Beziehungspflege bist du auf dem richtigen Weg für ein harmonisches Miteinander:
- Blumenstrauß im Wald pflücken
- frische Brötchen vom Morgenansitz mitbringen
- den Jagdhund zum sympathischen Überbringen von Botschaften einsetzen
- küchenfertiges Wildfleisch bereitstellen
- die Zubereitung von Wildgerichten übernehmen
- Bärlauch sammeln für ein leckeres Pesto
Trotz all dieser raffinierten Beschwichtigungsrituale wird es immer wieder Situationen geben, in denen es zum Meinungsaustausch kommt. Die Ermittlung der individuellen zeitlichen Maximallast der Partnerin ist deshalb eine unverzichtbare Präventivmaßnahme. Das funktioniert am besten durch entsprechende Tests mit langsam steigender Jagdintensität, bis es zu einer der 6 häufigsten Vorwürfe kommt.
Die 6 häufigsten Vorwürfe der Ehefrau
- Du warst doch erst gestern auf der Jagd
- Können nicht auch mal die anderen Jäger was schießen?
- Du gehst deinem Hobby nach und ich soll zuhause kochen und waschen?
- Du verfährst nur das Benzin
- Und der Hund sitzt wieder die ganze Zeit im Auto
- Können wir nicht mal was gemeinsam unternehmen?
Habe ich einen Vorwurf vergessen? Dann schreibe ihn als Kommentar unter den Artikel!
Kommen wir zurück auf die eingangs gestellte Frage, ob das Zusammenleben mit einem Jäger der tägliche Wahnsinn oder das Glück auf Erden ist. Ich würde sagen, eine Mischung aus beidem, also ein glücklicher Wahnsinn. Und seien wir ehrlich: Würden wir Jäger uns tatsächlich wünschen, dass die Gattin uns nahelegt: „Geh doch mal wieder auf die Jagd!“ Nein, das wollen wir nicht hören, wir wollen das Gefühl haben, zuhause unentbehrlich zu sein – und dann trotzdem losziehen hinaus in Wald und Flur: ein Horrido auf das freie Jägerleben!
22 Kommentare
Toller Artikel. Werde ihn, meinem Jäger, heute Abend mal zum lesen geben. Ich habe mich überall wieder gefunden.
Vielen Dank! Es freut mich, dass es anderen Jäger-Haushalten auch so geht
Der wichtigste und berechtigste Vorwurf meiner Meinung nach: Musst du von Anfang November bis Anfang Januar wirklich jedes Wochenende zur Treibjagd? Wir sehen uns ja gar nicht mehr!!
Und natürlich: Nein, du darfst meinen Hund nicht mit in den Wald nehmen.
Noch schlimmer ist allerdings die Zeit zwischen 1. Februar und 1. Mai, wenn der Rhythmus komplett im Eimer ist. Da weiß man außerhalb der Jagdruhezeit wenigstens, wie man planen kann. Aber ein gelangweilter Jäger und ein ebenso gelangweilter Jagdhund sind auch nix. Und so habe ich letztes Jahr meinen Jagdschein gemacht, damit wir diese Qualen endlich teilen können.
Vielen Dank für den Artikel! Vor allem die Vorwürfe kommen mir so oder in ähnlicher Form sehr bekannt vor – auch wenn die Rollenverteilung bei uns umgekehrt ist und mein Mann zu Hause auf mich wartet… Gibt es dafür auch Tipps um zu beschwichtigen? 🙂
Besser könnte man es nicht beschreiben! Danke für den gelungenes Artikel!!!
Herrlich , ich als Jäger(s)Frau musste sehr schmunzeln….Es ist ein sehr zeitaufwändiges Hobby ( ja, es gab auch schon so manch Stress /Streit deswegen) aber auch ein sehr schönes für meinen Mann- die Natur so miterleben zu dürfen ist schon etwas ganz besonderes. Ich gehe auch immer mal wieder gerne mit zur Jagd. Unser Sohn ( fast 3Jahre alt) ist auch des öfteren mit im Revier unterwegs, Kirrung beschicken( schreibt man da so?), Wildschäden harken, Hochsitze auf/umstellen, Tiere beobachten. — aus Kindermunde: ” Dachsbau gucke, Papa” ” Sind Sweine da gewesen?” ” Rehe vertecke sich immer, wenn wir tommen ”
” hat das Sweine macken, mit ihre Nase?( Wenn er die Wildschäden sieht..) Etc.. – sooo niedlich.Unser Sohn kennt sich jetzt schon bestens im Wald aus, kennt alle Tiere etc.- schauen wir mal, was draus wird- ob die Jagdgene vererbbar sind? Viele Grüße und Waidmannsheil
Sehr wahr und schön geschrieben……konnte auch viel schmunzeln, kommt mir alles sehr bekannt vor….. trotz zwei Jagdscheinen in der Familie
Hy wirklich haargenau beschrieben Ich erkenne uns in fast jedem Satz wieder
Hallo Helena, zwei Jagdscheine in der Familie ist optimal. Mein Beitrag ist natürlich mit einem dicken Augenzwinkern geschrieben, aber ein bisschen erkennen sich sicher viele Paare wieder.
Wir haben beide den Jagdschein. Da gibt es keine Probleme.
Deswegen haben wir beide zusammen den JS gemacht, jeder hat sein Revier/Pirschbezirk und somit Verständnis füreinander, wenn’s Mal wieder später geworden ist.
Hallo Astrid, das ist die ideale Lösung 🙂
Ein schwieriges Thema – wer will schon rund um die Uhr mit dem Liebsten die Zeit verbringen ohne Rücksicht auf die eigenen Interessen! Geht man als Jägersgattin denselben nach, ist die Entfremdung der Partner sehr naheliegend. Jeder verbringt Zeit mit seinem Hobby und gemeinsame Zeit ist gleich Null. Das gemeinsame Leben mit einem Jäger erfordert schon strenges Zeitmanagement, vor allem von Seiten der Frau!
Ich bin seit einigen Monaten mit einem Jäger zusammen. Auch wenn viele Gatten/Gattinnen ihre Kommentare mit einem Schmunzeln geschrieben haben, ist mir nicht danach. Dieses völlige zeitliche Richten nach dem Partner führt, zumindest bei mir, zu heftigen Konflikten. Von einer gleichwertigen Beziehung sind wir weit entfernt. Wenn ich keine Zeit einplanen würde, würden wir uns wochenlang kaum mehr sehen. Natürlich könnte ich mir ebenfalls ein sehr zeitintensives Hobby suchen. Jedoch würde dann nicht mehr viel von der Beziehung übrig bleiben.
Hach…da erkenne ich aber einige Szenarien wieder und das obwohl ich das Ganze nur aus Sicht einer Jägerstochter kenne .
Klasse Beitrag, der trotz seiner Länge förmlich nach einer Fortsetzung schreit!
Was es da alles zu schreiben gibt. Das könnte fast ein Tagebuch werden 😉
Stimmt wirklich. Ich spreche aus eigener Erfahrung :-/ Wer all diese Dinge nicht glaubt, der hat es noch nie selber mit erlebt 😀 Vielleicht sollten wir Bücher schreiben und werden darduch reich 😉 Es werden BESTSELLER !!!!!
Stimmt alles! Herzlich das zu lesen!
Danke, wir sitzen doch alle in einem Boot!
Lieber Simon, deinen Beitrag zu lesen war eine große Freude! Ich habe oft geschmunzelt 🙂
Das Foto von Ferdi ist wirklich so süß!
Vielen Dank! Das war mein Ziel!